Blog
Blog

Handy-Blit­zer: Unfug mit Ansage

Rheinland-Pfalz führt den ersten sogenannten Handy-Blitzer in Deutschland ein. Von einer erhöhten Position aus erkennt ein System automatisch, wann ein Fahrer ein Handy in der Hand hält und löst ein Foto aus.

Der dortige Innenminister und die Polizei sind voll des Lobes über sich selbst, weil das angeblich ein wesentlicher Beitrag zur Vision Zero ist. Denn die Benutzung von Handys sei ja schließlich gefährlich und in den Niederlanden habe man gute Erfahrungen damit gemacht.

Im ersten Reflex fand ich das auch interessant, hatte nur ein paar Detailkritiken: Wenn das Handy tief gehalten wird, ist vielleicht schwer nachweisbar, dass der Blick tatsächlich dorthin ging. Denn natürlich ist das offensichtliche Halten am Ohr oder in der Nähe des Mundes nicht das Hauptsicherheitsproblem, sondern das Lesen und Schreiben von Textnachrichten, weil ja dabei der Blick von der Fahrbahn abgewendet werden muss. Noch kritischer wird es, wenn das Handy in einer Halterung steckt: Dann darf man sogar kurz den Blick abwenden. Warum das aber weniger sicherheitskritisch im Sinne der Vision Zero sein soll, muss man nicht verstehen.

Aber dann lese ich erst einmal richtig, was das System leistet bzw. nicht leistet. Es nimmt die Gesichter gar nicht auf, weil es das erstens nicht gut kann und zweitens, weil es dann Datenschutzbedenken gibt! Kein Wunder, dass der Datenschutzbeauftragte unter diesen Umständen zugestimmt hat. Der entscheidende Unterschied zwischen Deutschland und den Niederlanden, sowie vielen weiteren Ländern liegt aber eben darin, dass es bei uns keine Halterhaftung gibt. Das heißt, der Verkehrsverstoß muss einem konkreten Fahrer nachgewiesen werden. Zur Freude vieler Verkehrsanwälte ist die Qualität des Fotos aber schon bei Geschwindigkeitsverstößen oft Grund genug zur Einstellung des Verfahrens. Hier aber gibt es gar kein Gesichts-Foto! Es müsste also mit direktem Anhalten gearbeitet werden, denn bei der Höhe der Strafen muss ansonsten wohl mit Einsprüchen in allen Fällen gerechnet werden. Ein nicht nur personalintensives Verfahren, sondern auch eines, das mit Beobachtung durch eine Person (statt der Technik) auch erreicht werden könnte.

Schilda lässt grüßen! Was kostet diese angeblich intelligente Technik in der Anschaffung? Das System ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Verkehrsanwälte, Staatsanwälte und Gerichte (wobei Letztere das sicher nicht brauchen) und in sicherer Kenntnis der nicht vorhandenen Halterhaftung auch eine Zumutung des Rechtsstaates. Nur um richtig verstanden zu werden: Ich fände Elemente der Halterhaftung auch in Deutschland gut und richtig. Das wäre dann in vielen Bereichen ein wirklicher Beitrag zur Vision Zero.

Zur Startseite