Pedelecs: Schnell (und) gefährlich
Gerade komme ich von einem Urlaub an der Nordsee zurück. Gab es da im letzten Jahr noch einige wenige Pedelecs bei den Vermietern, ist das jetzt für viele die Basis des Geschäfts geworden. Vielleicht kein Wunder an der Küste, aber wo es bergig zugeht, sieht es sicher nicht anders aus.
Zu den gemieteten kamen noch die selbst mitgebrachten Pedelecs, so dass es einen als konventionellen Radfahrer dort nur so umsurrte.
Und tatsächlich sind diese Fahrzeuge ja auch ein Erfolgsmodell für den Handel: Steigerungsraten von gut 20 Prozent pro Jahr zeigen das deutlich. Und weil das so gut ist fürs Geschäft, weil das wegführt vom Auto und weil es überhaupt als Elektromobilität so progressiv ist, redet keiner gerne über die Kehrseite: die Unfallentwicklung!
Ich muss es ja aber tun, auch wenn ich das alles einsehe. Leider sehen wir hier bei den Unfällen mit Verletzten pro Jahr einen Anstieg von mehr als 30 Prozent. Das ist zu den Verkaufszahlen überproportional und allein dadurch also nicht zu erklären. Als Erklärung dient auch nicht, wie oft gehört, dass man auf dem Pedelec ja mehr Kilometer zurücklegt und es insgesamt häufiger benutzt, als ein Fahrrad. Das traf in allen Jahren zu und erklärt daher die alljährlichen Steigerungsraten nicht.
Wodurch ist es aber zu erklären? Ein wichtiger Schlüssel scheint mir im Moment die Hauptnutzergruppe der Senioren zu sein. Und zwar zunächst mal als statistisches Artefakt: Durch ihre höhere Verletzlichkeit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei hinzugezogen wird und damit der Unfall überhaupt in der Statistik landet. Aber das allein erklärt es nicht, denn bei den Unfällen, die wir kennen, sehen wir auch viele Alleinunfälle und Unfälle im Gefälle und in Kurven. Zusammengefasst also Unfälle, die Probleme mit dem Handling dieser Fahrzeuge offenbaren. Auch hier gibt es vermutlich einen Zusammenhang mit der Hauptnutzergruppe.
Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass wir die genauen Unfallursachen eben nicht kennen. Die verfügbaren Unfalldaten erfassen nämlich die Spezifika von Pedelecs nicht. Hier brauchen wir aufwendige spezifische Erhebungen, an denen wir uns gern beteiligen, die wir allein aber nicht leisten können.
Wie wollen wir also mit den Unfallzahlen umgehen? Man könnte natürlich sagen, das nehmen wir einfach in Kauf, weil Senioren dadurch mobiler werden. Manche rechnen auch gerne noch positive Gesundheitseffekte dagegen. Für alle, die der Vision Zero verpflichtet sind, kann das aber keine Argumentation sein.
Ich bin eher der Auffassung, dass wir die Technik zähmen müssen. Rein rechtlich sind Pedelecs (keine S-Pedelecs, für die das hier fast alles nicht gilt) Fahrräder. Der Elektromotor unterstützt, sobald man selbst tritt und stellt diese Unterstützung bei 25 km/h ein. Wie stark der Motor unterstützt, kann man einstellen und braucht in der stärksten Stufe tatsächlich kaum noch eigene Kraft. Damit sind Pedelecs eigentlich Kraftfahrzeuge, für die ja unter normalen Umständen z. B. eine Helm- und Führerscheinpflicht gelten würde. Der Gesetzgeber hat hier insofern nur eine Ausnahme geschaffen.
Nur: Wenn er das tut, muss er auch konsequent sein. Und das bedeutet für mich, dass jemand, der mit dem Fahrrad mangels Muskelkraft auf ebener Strecke nicht und schon gar nicht dauerhaft 25 km/h schaffen würde, dies auch auf dem Pedelec nicht können sollte. Die technischen Möglichkeiten, Endgeschwindigkeit und Kraft in ein besseres Verhältnis zu bringen, hätten die Motoren. Wer also auf dem Fahrrad keine 20 km/h schaffen kann, sollte das auch auf dem Pedelec nicht können. Sonstige Vorteile blieben ja erhalten: Berge können weiterhin leichter erklommen werden und lange Strecken weiterhin ermüdungsfreier zurückgelegt werden.
Dagegen wird eingewandt, dass wir die exakten Ursachen ja nicht kennen und deshalb auch die Wirkung dieser Maßnahme ungewiss ist. Das trifft sicher zu. Aber irgendwie muss man gegensteuern und kann dann schauen, ob es Erfolg hat. Ich vermag jedenfalls nichts Falsches an der Forderung zu erkennen, dass etwas, das rechtlich ein Fahrrad ist, sich dann auch so verhalten soll. Nichtstun ist für mich jedenfalls keine Option.
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